Folge 100: Fußball ist seine Geschichte, deshalb hören wir zu (Gast: Ewald Lienen)

Zum Jubiläum hatten wir viele auf dem Zettel, aber es konnte natürlich nur Ewald Lienen werden. Wenn er spricht, hat Nachholspiel Pause. Seine Karriere als Spieler, Trainer, Funktionär, Experte und Podcaster hört sich an wie unsere bisherigen 99 Folgen zusammen. Immer ganz nah dran am Fußball und stets darüber hinaus geschaut. Ob Politik, Klima, oder die soziale Gerechtigkeit, du spürst immer seine klare Haltung, kassierst aber gerne auch mal einen Anpfiff, wenn du seine Statistik bei Transfermarkt.de unvollständig zitierst. Lienen philosophiert dich gerne an die Wand, wenn du die Worte „Legende“ oder „Ausland“ in den Mund nimmst. Der Spieler Lienen war schnell und hatte eine schlechte Schusstechnik. Der Mensch redet noch schneller und versenkt jede verbale Steilvorlage pointiert und meinungsstark. Nachholspiel feiert die 100, das bisher beste Schlusswort einer Folge, unsere vielen Zuhörer:innen und die noch zahlreich kommenden legendären Themen.

Folge 99: DDR-Fußball bei Olympia 1976 – Silber ist verlieren

25 Fußballer bekommen auch nur eine Medaille? Verdammter Mannschaftssport! Wenn das Regime rechnet. Tatsächlich stand der Fußball in der DDR im Vergleich zu Einzelsportarten am Ende der Sportförderungskette. Die Sommerspiele in Montreal kamen nach der verpassten EM-Qualifikation ohnehin wie ein Trostpreis daher. Die DDR-Auswahl um Kapitän “Dixie” Dörner war trotzdem zum Siegen verdammt, besonders weil das IOC ja nur Amateure im Turnier antreten ließ, was die Stars der Ostblock-Staaten beinhaltete. Der Weg zu Gold war trotzdem steinig. Zum Auftakt gegen Brasilien setzte es gleich mal eine Blamage, die besten Kicker des Landes wurden da schon als “Schande” abgeschrieben. Selbst im Finale warteten noch Stolperfallen: Auf dem Rasen war zuvor das olympische Reitturnier ausgetragen worden. Tja, ein gutes Pferd springt eben nur so hoch wie es muss. Nachholspiel besteigt vor der Sommerpause nochmal das Treppchen und würdigt eine fast vergessene Goldmedaille.

Folge 98: Marcelo Bielsa – “Der beste Trainer der Welt”?!

An Weihnachten schaut er 14 Stunden lang Fußball, hat 40 Fußballzeitschriften aus aller Welt abonniert und analysiert seine Gegner bis auf die Unterhose. Die argentinische Stadt Rosario hat der Welt einen Floh und einen Freak geschenkt. Der verrückte Fußball-Professor Marcelo Bielsa wird sogar von Taktik-Guru Pep Guardiola vergöttert – allein schon deswegen gehört er ins Nachholspiel-Legenden-Regal. Aber es kommt noch besser. Bielsa führte Leeds United nach 16 Jahren zurück in die Premier League – nicht auf der Trainerbank, sondern auf einem Eimer sitzend. Er verlost üppige Geschenke an Klub-Mitarbeiter:innen und lässt seine Mannschaft Müll sammeln. Weniger überraschend ist beim Argentinier der Kleidungsstil: den Trainingsanzug zieht er nur im Schlaf aus, wenn überhaupt. Mit der Presse spielt er in Interviews stille Post und mit seinen Spielern im Training „Murderball” – kein Aus, kein Abseits, keine Unterbrechung. Dieser Mann ist wie seine Taktik nur schwer zu entschlüsseln. Manchmal nahbar, manchmal unnahbar. Nachholspiel reibt sich die Hände. Eine Hommage.

Folge 97: WM ’98 – Football meets Zizou (Gast: Markus Othmer)

Frankreich erlebte eine politische und eine fußballerische Revolution. Zinedine Zidane köpfte sein Land zum ersten WM-Titel und entzauberte das übermächtige Brasilien. Das DFB-Team wollte auch, aber Lothar Matthäus hat es verkackt! Spielt er im Viertelfinale gegen Kroatien einen sauberen Pass, hätte Christian Wörns ganz sicher noch eine „überragende“ Weltmeisterschaft gespielt. Deutschland hatte sich in Frankreich wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Deutsche Hooligans prügelten den Polizisten Daniel Nivel fast zu Tode. Der heutige ARD-Moderator Markus Othmer war damals als junger Reporter bei der Schande von Lens vor Ort und berichtet über die schockierenden Ereignisse. Nachholspiel diesmal mit einer Folge zwischen Entsetzen und Euphorie.

Folge 96: EM 2004 – „Rehakles” besteigt den Fußball-Olymp

Zeus lässt Donner und Blitz sprechen, Poseidon ist Herr der Meere und „Rehakles” Gott der Busfahrer. Ein Tor schießen und den Mannschaftsbus vorm eigenen Tor parken. 1:0 gegen Frankreich, 1:0 gegen Tschechien, 1:0 gegen Portugal. Hellas! Dellas! Charisteas! Griechenlands Gewinn der Europameisterschaft war wie auf Diät beim Griechen sitzen – unmöglich. Otto Rehhagel ließ sich von seinem Assistenten Ioannis Topalidis nicht nur die Speisekarte übersetzen. Mit Händen und Füßen wurde die Taktik getanzt und zum Titel gecoacht. „Die Griechen haben die Demokratie erfunden. Ich habe die demokratische Diktatur eingeführt.” Nachholspiel spielt Aristoteles und philosophiert über dynamische Destruktivität, Torhüter ohne Handschuhe und 1-Euro-Partys in Niedersachsen.

Folge 95: EM ’72 – „Fußball 2000“ der Jahrhundertelf

Die internationale Presse überschlug sich bei den Europameistern von 1972 mit Lobeshymnen, sah nicht weniger als die Zukunft des Fußballs. Eine Symbiose aus Spiel und Kampf, ein bisschen Tiki-Taka in Schlaghosen mit Franz Beckenbauer, Günter Netzer und vor allem Gerd Müller auf der Tanzfläche. Die wilden 70er, Disco-Musik, Drogen und der deutsche Fußball im emotionalen Dauerrausch. Die „Wembley-Elf“ gewann auf ihrem Weg zum Titel als erste deutsche Nationalmannschaft in England, für manche das bis heute beste Spiel einer DFB-Auswahl. Die EM verlief in einem heutzutage nicht mehr vorstellbaren Modus: Quali, dann Viertelfinals, dann Endrunde. Und: Belgien wurde erst kurz vor Turnierbeginn als Gastgeber festgelegt. Der eigentlich spannende Teil ging nur von Mittwoch bis Sonntag und passt damit perfekt in einen Podcast. Nachholspiel schaut Bundestrainer Helmut Schön über die Schulter, setzt sich staunend ins Stadion und lässt es ordentlich “müllern”.

Folge 94: EM 2000 – der Tiefpunkt des deutschen Fußballs (Gast: Lucas Vogelsang)

Der neue Bundestrainer hatte sich bei seiner ersten Pressekonferenz von seinem Chef einiges anhören müssen. Heynckes, Breitner, sogar Roy Hodgson hatte er als eigentliche Nachfolgekandidaten für Berti Vogts vorgesehen. Schließlich hätte klamottentechnisch auch Rudi Carell neben DFB-Präsident Egidius Braun sitzen können, doch es waren Ruheständler Erich Ribbeck und sein Assistent Uli Stielike im Sakko des Grauens. Die Nationalmannschaft sollte revolutioniert werden, aus „Revolution” wurde aber schnell “Rumpelfüßler”. Ribbeck agierte planlos und inkonsequent, holte den 37-jährigen Lothar Matthäus zurück und schickte den taktisch kompetenten Stielike vor der EM nach Hause – der hatte vielleicht eine Krawatte. Die Vorzeichen waren schlecht, die Vorstellungen noch schlechter. Kein Spielsystem, kein Spielvermögen, kein Spiel gewonnen. Portugals Sérgio Conceição sorgte schließlich für eine „Beerdigung erster Klasse”. 
Fußball-Deutschland am Boden, ohne Nachwuchs, ohne Konzept. Nachholspiel macht den Tiefpunkt zum Podcast-Höhepunkt der Woche und spricht mit MML-Geschichtenerzähler Lucas Vogelsang über die Entwicklung vom Albtraum zum Sommermärchen.

Disclaimer: Paulo Rink wird in dieser Folge weder persönlich angegriffen, noch für das Abschneiden der DFB-Auswahl bei der EM 2000 verantwortlich gemacht. Paulo Rink kam in allen drei Spielen der Vorrunde zum Einsatz und zeigte eine mehr als solide Leistung (Nachholspiel-Note 3+).

Folge 93: Hold my Bierhoff – (Gast: Thomas Helmer, feat. Martin Tyler)

Laut Gerüchteküche wurde das unsägliche #zsmmn im Wembley Stadium geboren. Oliver Bierhoff hatte soeben das erste Golden Goal der Fußballgeschichte geschossen, dann platzte Altkanzler Helmut Kohl in die enge Kabine. Vorsicht, zu-samm-en-rü-cken!! 
Es waren die „Ibuprofen-Meisterschaften”, es gab so viel auf die Knochen, dass Bundestrainer Berti Vogts fast Ersatztorhüter Oliver Kahn gegen England aufs Feld geschickt hätte – Paul Gascoigne wäre wohl jaulend zur Hintertür raus. Deutschlands dritter EM-Titel ist das Mutterland der Anekdoten. We’re so sorry, Martin Tyler. Es begann mit einem Sauna-Skandal und endete mit jubelnden nackten Tatsachen. Bierhoff hätte seine Karriere ohne Thomas Helmer wohl nicht vergoldet. Der „Unkaputtbare” ist in Plauderlaune und für Nachholspiel der heimliche Star des Turniers.

Folge 92: Michel Platini – Frankreichs Hahn im Korb (Gast: David Lortholary)

Breite Brust, bisweilen gockelhaftes Gehabe. Kaum eine andere Fußballnation kann mit dem Wappentier die sportliche Strahlkraft ihrer legendären Spielmacher so sehr unterstreichen. Michel Platini war auf dem Platz ein genialer Feldherr, als Funktionär dagegen ein größenwahnsinniger Napoleon. Der korrupte und gescheiterte Ex-UEFA-Präsident gewann als Spieler dreimal in Folge den Ballon D’Or. 1984 führte der Superstar von Juventus Turin Frankreich im eigenen Land zum Europameistertitel – mit 9 Toren das wohl beste Turnier eines Einzelspielers der EM-Geschichte. Nachholspiel betrachtet beide Seiten der Medaille und klärt gemeinsam mit dem französische Journalisten David Lortholary die große Frage der Grande Nation: Platini oder Zidane? Beide haben sich mit ihren Füßen ein Denkmal gebaut und es mit ihren Dickköpfen wieder eingerissen.

Folge 91: EM 1980 – „Langer“ Torriecher im Pinocchio-Land (Gast: Horst Hrubesch)

Der Papst hatte es einfach wie Italiens EM-Maskottchen „Pinocchio“ gemacht. Gelogen! Klaus-Fischer-Ersatz Horst Hrubesch sollte laut heiliger Prophezeiung im nächsten Spiel sein erstes Länderspieltor erzielen. Doch es war erst im Spiel darauf soweit. Im EM-Finale von Rom traf der Angreifer dafür gleich doppelt. Eigentlich waren es vier Endspiele, nach der Gruppenphase ging es direkt um den Titel. Auch alles andere kommt komisch daher: Klaus Allofs reichten drei Treffer zum Torschützenkönig, der heutige Rekordnationalspieler Lothar Matthäus verschuldete fünf Minuten nach seinem Debüt einen Foulelfmeter und Manni „Bananenflanke“ Kaltz ließ sich zur Abwechslung mal selber fliegen – über die Hotelmauer. Eine Folge voller Kopfkino dank „Kopfballungeheuer“ Horst Hrubesch. Warum unser Gast damals im Stadion im Kurzarmhemd einfach stehen gelassen wurde und der Pokal am Ende für den „Langen“ tatsächlich zu schwer war.